Jurastudenten aufgepasst! Auch wenn Sie durch die letzte Hausarbeit gefallen sind: Sie können immer noch “Gutachter” für SPIEGELOnline werden. Die Hürden sind nicht ganz so hoch wie beim kleinen Ö-Recht-Schein. Eine Seite Text genügt, und lassen Sie sich durch die Bezeichnung nicht verwirren: Den Gutachtenstil brauchen Sie hier nicht.
Klaus Michael Alenfelder, Rechtsanwalt und “Experte für Anti-Diskriminierungsrecht”, hat ein solches “Gutachten” verfasst. Der Sachverhalt: Die Universität Freiburg befreit Studienplatzbewerber von den Studiengebühren, wenn sie einen IQ ab 130 nachweisen. Rechtsgrundlage ist eine landesrechtliche Vorschrift, die eine Befreiungsmöglichkeit für Studierende mit “weit überdurchschnittlicher Begabung” vorsieht (§ 6 Abs. 1 S. 3 LHGebG B-W).
Dieser IQ-Rabatt ist verfassungswidrig! meint Alenfelder, und beruft sich auf Art. 3 Abs. 1 und 3 GG. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 88, 87 und BVerfGE 111, 160) müsse hier ein besonders strenger Maßstab angelegt werden, denn erstens beziehe sich die IQ-Regelung auf Personengruppen, und zweitens könnten die Betroffenen durch ihr Verhalten nichts an ihrer Zuordnung ändern. Für eine derartige Ungleichbehandlung benötige man einen besonderen Rechtfertigungsgrund. Alenfelder hat lange überlegt, und das ist ihm eingefallen:
“Einziger Rechtfertigungsgrund kann sein, dass Studenten mit einem höheren Intelligenzquotienten das Studium mit größerer Wahrscheinlichkeit abschließen. Damit würden überflüssige Kosten eingespart, die durch die Zulassung von Studenten auftreten, die das Studium nach einiger Zeit abbrechen.”
Dieser Rechtfertigungsgrund aber sei bereits in seiner Grundannahme “ein unbewiesenes Vorurteil”, denn der Studienerfolg sei von “zahlreichen verschiedenen Voraussetzungen” abhängig und nicht nur von der Intelligenz. Hochbegabung könne sogar schädlich sein:
“So scheint gerade bei Hochbegabten der Anteil von Minderleistern höher als bei normal begabten (50 Prozent statt 40 Prozent, Prof. Ziegler, Vortrag 12.07.2003). “
(Ehrlicherweise hätte er an dieser Stelle sagen sollen, dass sich Zieglers Zahlen auf Schulkinder beziehen, nicht auf Studenten und dass es andere Statistiken mit anderen Ergebnissen gibt.)
Alenfelder fährt fort: Selbst wenn man annähme, die Gleichung “IQ=Studienerfolg” gehe auf,
“…reichte der prognostizierte bessere Studienerfolg nicht aus, um einen Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen. Erforderlich wären wesentliche und nachweisbare Gründe, die ausnahmsweise die Ungleichbehandlung der Studenten nach Intelligenzquotient rechtfertigten. “
An dieser Stelle müsste es spannend werden. Gibt es “wesentliche und nachweisbare” Gründe für die Ungleichbehandlung? Ist eine niedrigere Abbrecherquote wirklich der “einzige” Rechtfertigungsgrund? Was hat sich der Gesetzgeber überhaupt mit § 6 Abs. 1 S. 3 LHGebG gedacht? Hat er sich im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraumes gehalten? Man könnte prüfen, ob der Begriff der “Begabung” (der auch in der Landesverfassung steht, Art. 11 Abs. 1) zu unbestimmt ist. Ob die Universität Freiburg die gesetzliche Ermächtigung richtig aufgegriffen hat. Ob der IQ überhaupt ein Indiz für “Begabung” ist. Man sollte bei der Abwägung im Auge behalten, dass es hier nicht um Studienplätze, sondern um 500 Euro pro Semester geht, die einige Studenten nicht bezahlen müssen.
Und was schreibt Alenfelder?
Nichts. Das Gutachten ist an dieser Stelle zu Ende. Jedem Jurastudenten hätte man für diese Subsumtion dicke Bleistift-Kringel an den Rand gemalt. Für SPIEGELOnline ist sie offenbar gut genug.